Der Krieg in der Ukraine verdeutlicht die verheerenden Auswirkungen von schweren Bombardierungen auf die Zivilbevölkerung
Handicap International / Humanity & Inclusion (HI) ist zutiefst besorgt über die anhaltende Eskalation der bewaffneten Gewalt, die nach dem bereits achtjährigen Konflikt im Donbass am 24. Februar 2022 entfacht wurde und die ukrainische Zivilbevölkerung unterschiedslos trifft. Wir sind äußerst besorgt über das immense Leid, das der Einsatz von schweren Explosivwaffen in bevölkerten Gebieten sowie von international geächteten Waffen, wie Streumunition, für die Zivilbevölkerung verursacht.
Wie in anderen aktuellen Kriegsregionen bereits dokumentiert wurde, führt der Einsatz von Explosivwaffen mit Flächenwirkung in Wohngebieten zu einem vorhersehbaren Schadensmuster. Untersuchungen haben ergeben, dass sich unter den Opfern ein konstanter Anteil von Zivilist*innen befindet: Beim Einsatz von Explosivwaffen in bevölkerten Gebieten sind 90 % der Betroffenen Zivilist*innen. Aufgrund der enormen Sprengwirkung dieser Waffen, ihrer Ungenauigkeit oder der Streuung mehrerer ihrer Elemente erstreckt sich ihre Wirkung über große Gebiete. Die Verwüstungen, die sie anrichten, werden durch das städtische Umfeld, unzugängliche Stadtgebiete, einstürzende Mauern und Gebäude noch verschlimmert.
Explosivwaffen töten und/oder verursachen schwerwiegende Verletzungen. Sie sind die Ursache massiver Zwangsvertreibungen. Ganze Bevölkerungsgruppen erleiden schwere psychologische Traumata, wobei die Folgen für Kinder besonders gravierend sind.
Bombardierungen und Beschuss in Städten richten auch langfristige Schäden an: Sie beschädigen und zerstören zivile Infrastrukturen wie Häuser, Krankenhäuser, Schulen, Wasser-, Strom- und Sanitäranlagen oder Kommunikationsnetze. Der Zugang zu wichtigen Versorgungsleistungen wird unterbrochen. Explosive Kriegsreste verseuchen das Land und beeinträchtigen das Leben in betroffenen Gebieten noch lange nach Kriegsende.
Dieses alptraumhafte Szenario spielt sich gerade in der Ukraine ab, wo Städte wie Kiew, Charkiw, Marioupol, Cherson, Tschernihiw und viele andere von Explosivwaffeneinsätzen betroffen sind. Eine Woche nach Beginn des Konflikts sind bereits Hunderte von Zivilist*innen getötet oder verletzt worden. Die Zahl der Todesopfer wird auch weiterhin steigen. Die meisten Schäden werden durch den Einsatz von Explosivwaffen mit Flächenwirkung verursacht, durch Luftangriffe und Beschuss mit schwerer Artillerie und Mehrfachraketen. Die Bombardierung des Geländes des Kernkraftwerks von Saporischschja verleiht den Folgen der Einschläge auf Wohngebäude und öffentliche Infrastrukturen eine noch erschreckendere Perspektive.
Berichten zufolge wurde bei russischen Angriffen auch Streumunition in der Ukraine eingesetzt, die zivile Gebäude (z.B. ein Krankenhaus und eine Vorschule) traf und zivile Opfer forderte. Diese Waffen sind seit 2010 im Rahmen des Übereinkommens über Streumunition international geächtet. Da sie von ihrer Beschaffenheit her unterschiedslos wirken, töten und verletzen sie überwiegend Zivilist*innen.
Die andauernde Offensive wird insgesamt zu einer hohen Kontamination durch explosive Kriegsreste in einem Land führen, das bereits stark mit Landminen verseucht ist - insbesondere die Ostukraine befinden sich viele Landminen, da sich dort seit 2014 die bisherige Front befand.
Die humanitären Folgen dieser Entwicklung werden aller Voraussicht nach verheerend sein. Dem Appell von UN-OCHA zufolge werden voraussichtlich 18 Millionen Menschen von der Krise betroffen sein und 12 Millionen humanitäre Hilfe benötigen. Es gibt immer wieder Berichte über Zivilist*innen, die in Städten unter Beschuss gefangen sind. Es wird von schwerwiegenden Engpässen bei der Versorgung mit lebenswichtigen medizinischen Gütern, Treibstoff und Bargeld berichtet, und die zunehmende Unsicherheit beeinträchtigt den Zugang zu grundlegenden Versorgungsleistungen. Die Eskalation der bewaffneten Gewalt zwingt die Menschen zur Flucht. Eine Woche nach Beginn des groß angelegten militärischen Konflikts waren bereits eine Million Menschen aus der Ukraine in die Nachbarländer geflohen. Es ist zu erwarten, dass es bald bis zu 6,7 Millionen Binnenvertriebene geben wird. Die Zahl steigt von Stunde zu Stunde. HI ist besonders über die Situation von Menschen mit Behinderung, älteren und schutzbedürftigen Personen besorgt, die mit große Hindernisse überweinden müssen, um ihre Grundbedürfnisse zu erfüllen, z.B. bei der Suche nach einer sicheren Unterkunft und beim Zugang zu Nahrungsmitteln. Sie sind gefangen und werden oft nicht berücksichtigt. Daher müssen ihnen Informationen und der Zugang zu sicheren Evakuierungswegen, Unterkünften und lebensrettender medizinischer Versorgung gewährt werden.
HI verurteilt den Einsatz illegaler Waffen wie Streumunition auf das Schärfste. Wir fordern einen sofortigen Waffenstillstand und die Einhaltung des humanitären Völkerrechts, einschließlich des ungehinderten Zugangs zu humanitärer Hilfe. Die Beendigung des Einsatzes von Explosivwaffen ist zwingend erforderlich, um das Leben der Zivilbevölkerung zu schützen.
Die internationale Gemeinschaft muss alles in ihrer Macht Stehende tun, um zu verhindern, dass sich so etwas wiederholt. Die Situation in der Ukraine zeigt auch, wie notwendig die Verabschiedung einer politischen Erklärung gegen den Einsatz von Explosivwaffen in bevölkerten Gebieten ist. HI ruft alle Staaten auf, sich diesem historischen Prozess anzuschließen und sich an den laufenden Verhandlungen zur Stärkung des Schutzes der Zivilbevölkerung zu beteiligen.
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