Eine politische Erklärung zum Schutz der Zivilbevölkerung
Am 18. November 2022 wurde in Dublin ein Meilenstein für den besseren Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten erreicht: die politische Erklärung zur Reglementierung des Einsatzes von Explosivwaffen in bevölkerten Gebieten (EWIPA). Ein bahnbrechendes Abkommen, das erstmals die verheerenden Auswirkungen des Einsatzes von EWIPA für die Zivilbevölkerung anerkennt und konkrete Maßnahmen zur Anpassung der Kriegsführung sowie zur Unterstützung von Betroffenen festgelegt.
83 Staaten gehören zu den Erstunterzeichnern des Abkommens – unter ihnen auch die deutsche Bundesregierung sowie weitere wichtige NATO-Staaten, die die Hauptnutzer von Explosivwaffen in bevölkerten Gebieten sind. Das Abkommen steht weiterhin zur Unterzeichnung offen.
Letztes Update am: 21.02.2025
Das lesen Sie auf dieser Seite:
Hintergrund
Die zunehmende Verlagerung bewaffneter Konflikte in Wohngebiete ist weltweit seit Längerem zu beobachten und gibt großen Anlass zur Sorge. Der Einsatz von EWIPA führt in großem Maße zu Verletzungen und zum Tod von Zivilist*innen. Der vom Internationalen Netzwerk zu Explosivwaffen (INEW) initiierte Explosivwaffen-Monitor dokumentiert dieses Leid jährlich und listet betroffenen Länder und Gebiete auf. Die darin veröffentlichten Daten der letzten Jahre spiegeln eine erschreckende Tendenz wider:
Wenn Explosivwaffen in bevölkerten Gebiete eingesetzt werden, stammen 90% der Verletzten und Getöteten aus der Zivilbevölkerung. Zudem verursacht der Einsatz von EWIPA Schäden an kritischer Infrastruktur, wie Schulen, Krankenhäuser, Stromleitungen oder der Wasserversorgung.

EWIPA steht für Explosive Weapons in Populated Areas. Es geht also um den Einsatz von Explosivwaffen in bevölkerten Gebieten. Lesen Sie hier alles über die Waffen und ihren Schaden.

Einmal im Jahr erscheint der Explosivwaffen-Monitor. Er listet detailliert auf, wer wann und wo Explosivwaffen eingesetzt hat, wie viele Opfer diese Waffen gefordert haben und vieles mehr.
Was steht in der Erklärung?
Die politische Erklärung besteht aus zwei Teilen: einer Präambel und einem operativen Teil. In der Präambel werden die verheerenden direkten und indirekten humanitären
Auswirkungen des Einsatzes von EWIPA für die Zivilbevölkerung erstmals explizit benannt und anerkannt. Im operativen Teil befinden sich die eigentlichen Verpflichtungen der Unterzeichnerstaaten zum besseren Schutz der Zivilbevölkerung:
- Staaten müssen ihre militärischen Richtlinien und Praktiken überprüfen und erforderlichenfalls zum besseren Schutz der Zivilbevölkerung vor dem Einsatz von Explosivwaffen in bevölkerten Gebieten anpassen.
- An Konflikten beteiligte Staaten müssen humanitären Organisationen ungehinderten Zugang ermöglichen
- Die Opfer von Explosivwaffeneinsätzen müssen unterstützt werden
- Explosive Kriegsreste müssen geräumt und vernichtet werden
Der Weg zu einer politischen Erklärung
Die politische Erklärung ist das Ergebnis eines fast dreijährigen Konsultationsprozesses unter dem Vorsitz der Regierung Irlands und der Teilnahme über 100 Staaten, den Vereinten Nationen, dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) sowie zivilgesellschaftlichen Organisationen – größtenteils organisiert im Internationalen Netzwerk zu Explosivwaffen (INEW). Dessen Mitgliedsorganisationen, darunter Handicap International, haben sich vor, während und zwischen den vier Verhandlungsrunden für einen starken Text mit konkreten Verpflichtungen eingesetzt.
Einige wesentliche Forderungen von HI und INEW wurden schließlich in den finalen Text des Abkommens aufgenommen, nämlich die humanitären Verpflichtungen
- zum ungehinderten Zugang für humanitäre Organisationen
- zur Unterstützung betroffener Menschen und
zur Beseitigung explosiver Kriegsreste,
Chronologie unserer Texte zur politischen Erklärung
Die Rolle Deutschlands
Die Position der deutschen Bundesregierung war im Verhandlungsprozess eher ambivalent. So hatten Vertreter*innen Deutschlands auf der zweitägigen „Internationalen Konferenz zum Schutz der Zivilbevölkerung in der städtischen Kriegsführung“ im Oktober 2019 in Wien – der Beginn für den Ausarbeitungsprozess des Textes der politischen Erklärung – angekündigt, konstruktiv an dem Prozess hin zu einer politischen Erklärung mitarbeiten zu wollen. Zeitweise näherte sich die deutsche Position dann aber an die der französischen Regierung an, die für einen abgeschwächten Text des Abkommens warb.
Handicap International Deutschland hat intensiv auf die deutsche Regierung und deren Position eingewirkt. Außerdem haben wir zahlreiche Abgeordnete des deutschen Bundestages mobilisiert, sich mit ihren parlamentarischen Mitteln und Instrumenten für eine starke Position Deutschlands einzusetzen. So ähnlich ging Handicap International auch in Belgien und Frankreich vor. Alle drei Länder gehören zu den Erstunterzeichnern des Abkommens.
Das müssen die Staaten jetzt tun!
Die politische Erklärung mit ihren Verpflichtungen ist ein politischer Durchbruch! Damit sie aber auch wirklich Menschenleben schützt, muss sie ganz konkret von den Staaten und ihren Armeen umgesetzt werden. Sie ist daher nur ein Anfangs- und noch lange kein Endpunkt. Die Staaten müssen ihre Umsetzung schnellstmöglich voranbringen.
So müssen sich die Militärs aller Unterzeichnerstaaten über ihre militärischen Politiken und Einsatzpraktiken austauschen und diese zum besseren Schutz der Zivilbevölkerung anpassen. Dafür wurden bereits einige Militärworkshops organisiert und dieses Format sollte auch weiter fortgesetzt werden.
Zudem müssen die humanitären Bekenntnisse der Erklärung präzisiert werden, beispielsweise:
- Wie kann der ungehinderte Zugang für humanitäre Organisationen in Kriegsgebiete gesichert werden?
- Wie können betroffene Menschen unterstützt werden?
- Wie schnell müssen explosive Kriegsreste geräumt und wie können betroffene Menschen vor deren Gefahr gewarnt werden?
Zur raschen und umfassenden Beantwortung dieser und weiterer Fragen startete Handicap International (HI) gemeinsam mit Article 36 und Insecurity Insight – ebenfalls Mitglieder des Internationalen Netzwerks zu Explosivwaffen (INEW) – im Dezember 2023 ein auf zwei Jahre angelegtes Multi-Stakeholder-Projekt. Das von der Generaldirektion für Europäischen Katastrophenschutz und humanitäre Hilfe (DG ECHO) der Europäischen Kommission finanziert und dem norwegischen Außenministerium kofinanzierte Projekt widmet sich konkret der Organisation von vier thematischen Workshops. Durch die Beteiligung verschiedener Akteure mit einschlägiger Expertise – darunter zivilgesellschaftliche und UN-Organisationen, Staaten, das Internationale Komitee vom Roten Kreuz sowie Kriegsüberlebende – entstehen praxisnahe Berichte mit konkreten Handlungsempfehlungen zur Bewältigung der durch den Einsatz von EWIPA verursachten humanitären Probleme.
Zudem arbeiten diese Akteure auch auf die Ausweitung des Unterstützerkreises des Abkommens hin. Mehr und mehr Staaten sollen die politische Erklärung unterzeichnen und ihre Kriegspraktiken ändern.
Wichtig ist, dass die Unterzeichnerstaaten regelmäßig zusammenkommen, um sich über den Stand der Umsetzung des Abkommens auszutauschen. Ein erstes Treffen fand bereits eineinhalb Jahre später, im April 2024, in Oslo statt, das Nächste ist für November 2025 in Costa Rica geplant.
Lesen Sie weiter:
- Angriff auf die Zivilbevölkerung:
Explosivwaffen in bevölkerten Gebieten - Alle Zahlen:
Der Explosivwaffen-Monitor
- Handicap International:
Infos über unsere Projekte - Das internationale Netzwerk:
INEW.org
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